Teamarbeit erwünscht – warum Zusammenhalt am AFI so groß geschrieben wird
Ein Film ist nicht nur so gut wie sein Regisseur – er ist so gut wie das Team, das gemeinsam an dem Film arbeitet. Das American Film Institute Conservatory hat sich zur Aufgabe gemacht, die Zusammenarbeit der Studenten ganz besonders unterstützen – aber wie bekommt man 28 unheimlich talentierte, aber eher egoistische Regisseure dazu, zusammen zu arbeiten? Man lässt sie gegenseitig in den Teams der anderen arbeiten!
Für den ersten 15 bis 20-minütigen Kurzfilm während unseres Studiums werden jedem Team vier vorab festgelegte Drehtage zugeteilt. Jede Woche drehen vier Teams gleichzeitig, sodass nach 7 Wochen alle Dreharbeiten beendet sind und danach in die Nachbearbeitung gehen können. Dieser wiederkehrende Kreislauf von Vorbereitung, Dreh und Nachbearbeitung gibt dieser Übung ihren ungewöhnlichen Namen: Cycle One (von cycle = engl. Kreislauf). Die Organisation seitens der Uni ist hervorragend, wenn man bedenkt dass das meiste Equipment von der Uni gestellt wird und in Schuss gehalten werden muss. In dem engen Stundenplan aller Studiengänge gibt es verschiedenste Abläufe und Vorgaben, die man sich erst mal zu Eigen machen muss, sowie Fristen die eingehalten werden müssen, komme was wolle. Der Spaß beginnt, wenn das Drehbuch zwei Wochen vor Dreh finalisiert wird und ein Video-Storyboard abgegeben werden muss. Das war meine erste Gelegenheit, einem anderen Team auszuhelfen – als Schauspieler in der ersten rohen Visualisierung des von ihnen finalisierten Drehbuchs. Es war eine Erfahrung, die uns alle näher zusammen gebracht hat und eine willkommene Ablenkung von meinen Treffen zur Drehbuchentwicklung, Sicherheit am Set, Gruppendiskussionen, Locationsuche und meinen Unterrichtsstunden war.
Zusätzlich sind Regiestudenten verpflichtet, bei mindestens zwei anderen Drehs als Teammitglied für volle vier Tage mitzuarbeiten. Wenn man bedenkt, dass wir vier Tage unserer Vorbereitungszeit einem anderen Projekt widmen, kann man sich vorstellen, wie sehr jeder einzelne als Hilfe am Set geschätzt wird. Man bekommt die Chance, die Dreharbeiten aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten und trainiert damit entweder Hirnmuskeln in produktionsnahen Jobs oder die Muskeln zum Tragen und Laufen, die nicht beansprucht werden, wenn man im Regiestuhl sitzt und das restliche Team beim Arbeiten beobachtet. Bei anderen Projekten zu helfen ist eine gute Gelegenheit, seine Mitstudenten kennen zu lernen und Freundschaften für das nächste Projekt oder gar die Zukunft zu schließen. Für mich war es eine bittersüße Erfahrung um halb vier Uhr morgens am Set anzutreten, um den wunderschönen Sonnenaufgang in der Wüste einzufangen und später am Tag von einem Sandsturm überrascht zu werden, der mit dem ganzen Sand auch jede Menge Dreck aufwirbelt, der in den Augen und sogar im Essen landete. Aber sobald ich den Sonnenaufgang und den Sandsturm auf der Leinwand sah, war das alles vergessen. Dann fühlte ich mich, als hätte ich Leidenschaft und Durchhaltevermögen bewiesen, die den Film am Ende besser gemacht haben – auch wenn es nicht mein eigener war.
Bei einem fremden Projekt mitzuarbeiten erlaubt eine neue Perspektive auf die eigene Arbeit, was einem in Hinblick auf das nächste Projekt entweder bestärkt oder verunsichert. Ich erfuhr beides während meiner Arbeit an anderen Sets und denke es ist eine „win-win“-Situation. Wenn man sich in seiner eigenen Arbeitsweise bestärkt fühlt, gewinnt man Selbstbewusstsein für seine Arbeit. Fühlt man sich eingeschüchtert von der hervorragenden Leistung der anderen, spornt es einen an, es noch härter am eigenen Projekt zu arbeiten. Es war eine sehr inspirierende Erfahrung und hat mich einen großen Schritt weiter gebracht, was praktische Fähigkeiten angeht. Das werde ich direkt in meinem nächsten Projekt „Finger Food“ anwenden.
Bild: Auf dem Sandsturm-Set von “Dry Bones” mit meiner lieben Regiekollegin Catherine Taylor
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