Zurück zu den Anfängen des Films – ein 16mm Stummfilm Projekt
Sobald ich die 16mm Filmrollen am Set sah, fühlte ich mich wie in einer Zeitmaschine. Analoges Filmmaterial wird immer seltener benutzt, weil der digitale Workflow und die 3D-Technik die Produktionen mit den großen Budgets erobert hat. Am AFI muss jeder Kamerastudent einen MOS-Kurzfilm (MOS = „Mit Ohne Sound“, also ohne Ton) auf 16mm Schwarzweißmaterial drehen – eine 60 Meter lange Filmrolle, die ungefähr 5 Minuten Laufzeit ergibt. Die Kamerastudenten denken sich die Handlung aus und können entweder selber Regie führen oder sich Unterstützung aus der Regieabteilung holen. Ich wurde von Nicholas Trikonis gefragt, der gleichzeitig als Creative Producer die Zügel in der Hand hatte, ob ich bei seinem MOS Projekt „Mother Moon“ Regie führen möchte. Wir wurden kräftig unterstützt von einer unserer AFI Szenenbildner, Brittany Elias, die ein außergewöhnliches Setting im Studio geschaffen hat und von meinen AFI Kollegen aus der Produktionsabteilung, Halee Bernard und Brian Mancini, die den Film für uns gemeinsam koproduziert haben.
„Mother Moon“ handelt von einem jungen Mädchen, das sich nach draußen in die Nacht schleicht, weil sie ohne ihre kürzlich verstorbene Mutter nicht einschlafen kann. Trauernd im Mondschein, glaubt sie, die Stimme ihrer Mutter zu hören, die ihr ein Schlaflied singt. Neugierig, wo die Melodie her kommt, läuft sie gefährlich nahe zum Rand eines Abgrunds, wird aber von den Armen einer Frau zurück gehalten – ihrer Mutter. Die beiden tanzen, genießen ihre letzten Momente miteinander, bis ihre Mutter ins Jenseits verschwindet. Sie verlässt ihre Tochter mit einer Lehre für’s Leben: dass sie immer noch Frieden finden kann, in der Liebe, die sie geteilt haben, obwohl ihre Mutter nicht mehr da ist. Sie kann sie immer noch spüren, wenn sie zum Mond schaut.
Als ich am Morgen zum Set kam, konnte ich die Nervosität der Kamerastudenten spüren, die um Nick herum das Team bildeten, weil die Aufgabe ziemlich ungewöhnlich war. Der Materialassistent darf keine falsche Bewegung machen, sonst ist der Film für seinen Kollegen unbrauchbar – es unterscheidet sich sehr von dem Einlegen einer Speicherkarte. Die Kamer wird anders bedient, mit dem Filmmaterial direkt über dem Objektiv – statt sicher verpackt im Inneren der Kamera. Das Set wurde so beleuchtet, dass es für Schwarz-Weiß gut aussieht, statt für Farbe. Wir hatten aber doch einen kleinen Vorteil gegenüber den alten Meistern: wir hatten eine digitale Ausspiegelung, die das Bild zeigt, das grade gedreht wird, sodass das ganze Team während der Aufnahme sehen kann, wie das Material später aussehen wird. Darüber hinaus können wir während einem MOS-Stummfilm während der Aufnahme Ansagen machen, die das Timing der Handlung beeinflussen, weil kein Ton aufgenommen wird.
Die größte Herausforderung als Regisseur bei unserem MOS Projekt ist der Schnitt in der Kamera, sodass alles in der richtigen Reihenfolge gedreht werden muss. Sobald eine Szene gedreht wurde, kann sie nicht mehr gelöscht werden und muss zeitlich genau festgelegt sein. Jede Szene kann nur einmal gedreht werden und muss auf’s erste Mal perfekt sein. Keine zweite Chance! Um es noch schwieriger zu machen: Ich habe das erste Mal mit einer Choreografin gearbeitet, für eine 2-minütige Tanzszene, die in einer Einstellung gedreht wird. Und ein Kind in der Hauptrolle hat. Obwohl diese Rahmenbedingungen den AFI Dozenten vermutlich die Haare zu Berge stehen lassen – mit strategischer Planung und sorgfältigen Proben hat es alles sehr gut geklappt. Ich freue mich schon sehr auf das Screening unseres Rohmaterial-Filmstreifens nach den Weihnachtsferien, wenn der Film entwickelt ist!
Bild: Schauspielerin Vinca läuft durch die Nacht, fotografiert von Alex Scott
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