Schnipp Schnapp, Film ab! Cycle Two Schnitt
Mein Cycle Two, „The Lives of Bones“, ist im Kasten! Doch nach jedem tollen Dreh gibt es immer einen Haufen Arbeit: All die Stückchen, die gedreht wurden müssen nun im Schnitt zu einem Ganzen zusammen gesetzt werden. Cutter sind nicht nur Techniker, die den Befehlen des Regisseurs gehorchen – sie sind selbst Geschichtenerzähler! Schnitt ist die letzte Instanz von Struktur und visuellem Geschichtenerzählen und manchmal werden Filme im Schnitt komplett neu erzählt. Deshalb fertigen die Cutter am AFI den ersten Rohschnitt alleine an, beginnend nach dem ersten Drehtag.
Nach jedem Drehtag kommen Regie, Kamera und Produktion (manchmal auch der Autor) in den Schnittraum, um „Dailies“, das gesamte Material des vergangenen Drehtages zu gucken. Dabei können die verschiedenen Abteilungen auf Probleme hinweisen oder dem Cutter Kommentare geben. Ein unscharfer Take oder ein Kamerawinkel, der zu steil ist, sodass ein Schnitt nicht mehr funktioniert, könnte zum Beispiel ein Problem sein. Da alle Takes gezeigt werden, kann das Team diskutieren, wie man am besten um Probleme herum arbeitet oder entscheiden, ob man am nächsten Tag nochmal etwas zusätzlich drehen muss.
Während der drei Drehtage fängt der Cutter bereits an, die Szenen zusammenzusetzen, die schon gedreht worden sind. Nachdem die Dreharbeiten beendet sind, hat der Cutter drei weitere Tage um den Ton zu korrigieren, Sounds hinzuzufügen, den Schnitt zu verfeinern und Beispielmusik zu unterlegen, um ein Gefühl für die Stimmung und das Tempos des Films zu bekommen. Der Rohschnitt wird nach dem Drehbuch und den Cutter-Berichten, sowie des Cutters persönlicher Einschätzung der schauspielerisch besten Takes angefertigt. Dieser „Editor’s Cut“ wird im Schnitt-Unterricht gezeigt, wo die ganze Klasse als Testpublikum agiert und urteilt, wie gut die Geschichte rüber kommt. Das ist sehr hilfreich für Regisseur und Produzent, weil sie dann problematische Sequenzen ausmachen können und rechtzeitig Lösungen für die Probleme finden können.
Nach der Analyse im Unterricht kommt der Regisseur in den Schnittraum dazu und gibt dem Cutter seine Kommentare zum Rohschnitt. Außerdem können jetzt Probleme, die in der Analyse aufkamen, behoben werden. Das kann so weit gehen, dass Szenen heraus geschnitten werden oder die Geschichte komplett neu strukturiert wird. Der Schnitt wird unter Aufsicht des Produzenten bearbeitet, der am Ende des Tages vorbei kommt und mit einem frischen Auge und einem objektiven Blick dem Regisseur und dem Cutter hilft, einen Sinn vom Ganzen zu bekommen, nachdem sie den ganzen Tag an Details gearbeitet haben.
AFI gibt uns fünf Tage bis zum „Picture Lock“, das heißt wir müssen uns auf eine endgültige Version festlegen, bei der das Bild nicht mehr verändert werden darf. Das hilft dem Kameramann, am nächsten Tag seine Farbkorrektur durchzuführen. Aufgrund von Lichtänderungen über den Tag verteilt oder verschiedener Lichtsetzung von unterschiedlichen Kamerapositionen kann es passieren, dass die Farbe oder Helligkeit in bestimmten Einstellungen einer Sequenz nicht zusammen passt. Außerdem haben die meisten Filme einen bestimmten „Look“, der im Schnittraum kreiert oder unterstützt werden kann. Das Korrigieren von Farbe und Helligkeit hilft dem Zuschauer, das Gefühl eines Ganzen zu bekommen und nicht einer Sequenz von Takes, die in falscher Reihenfolge oder an komplett verschiedenen Orten gedreht wurden. Die Korrektur gibt uns ein Gefühl von Kontinuität.
Nach einem halben Tag Farbkorrektur bekommt der Cutter zwei Tage, um an Sound Design und Musik zu arbeiten. Ein Großteil der Atmosphäre eines Films entstammt Hintergrundgeräuschen, die sorgfältig mit dem Dialog abgestimmt werden müssen. Zu diesem Zeitpunkt bekommen wir auch die Chance, Szenen nach zu synchronisieren, in denen zum Beispiel Flugzeuge, Züge, Autos oder andere Störgeräusche am Set den Ton unbrauchbar gemacht haben. Sobald das Sound Design fertig ist, ist die Zeit für die Musik gekommen. In meinem Fall wurde ich wieder von meinem Haus und Hof-Komponisten Sami Hammi unterstützt! Komponiert basierend auf dem „Picture Lock“-Schnitt, kann die Musik die Atmosphäre und die emotionale Reise der Charaktere in hohem Maße unterstützen. Nicht alle Filmemacher sind sich ihrer Kraft bewusst; wir nehmen Film nur mit Augen und Ohren wahr, also teilen sich Ton und Bild die Aufmerksamkeit des Zuschauers 50:50.
Sobald alles sitzt, die Titel rollen und die technischen Standards erfüllt sind, wird unser kleines Kunstwerk auf Band ausgespielt. Jetzt ist genau eine Woche rum, seit der Regisseur in den Schnitt kam. Das ist ein sehr strenger Zeitplan für einen 15-20 minütigen Film, wenn man bedenkt, dass alle Teammitglieder unter der Woche zum Unterricht verpflichtet sind. Es war für mich sehr erleichternd, diese anstrengende Woche, mit ihren 12-Stunden Sessions und jeder freien Minute zwischen Unterrichtsstunden im Schnittraum, vorüber gebracht zu haben. Jetzt haben wir einen richtigen Film: „The Lives of Bones“ ist bereit, vor den Studenten des ersten Studienjahres und der Fakultät präsentiert zu werden!
Bild: Cutter James Stiegelbauer bearbeitet den Ton in der Protools Suite
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